#theater_digitalitaet

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Schultheater der Länder 2021 (SDL 21) vom 19 – 23.09.2021 in und aus Ulm

Das Schultheater der Länder (SDL) ist das größte Festival im europäischen
Schultheater und findet, veranstaltet vom Bundesverband Theater in Schulen,
jährlich in einem anderen Bundesland statt. 2021 ist Baden-Württemberg
Gastgeber und so wird vom 19.-23.9.2021 Ulm zum Austragungsort des
Festivals.
Unter dem Motto #theater_digitalitaet zeigen 300 Schülerinnen aus 15 Bundesländern die Ergebnisse ihrer theatral-ästhetischen Zugänge zu diesem Thema, tauschen sich darüber aus und vertiefen in begleitenden Workshops ihre theaterbezogenen Kompetenzen. In einer parallel dazu stattfindenden Fachtagung setzen sich mehr als 100 Lehrerinnen aus dem gesamten Bundesgebiet in Fachforen und Workshops ebenfalls mit dieser Thematik auseinander. Die Veranstaltung ist in allen Bundesländern als Fortbildung anerkannt.
Das Schultheater der Länder will Kinder und Jugendliche dazu anregen, ihre Erfahrungen, Gedanken und Visionen einzubringen, sich mit der Welt, in der sie leben und die sie wahrnehmen, auseinanderzusetzen, sie künstlerisch zu reflektieren und in einen theatralen Ausdruck zu übersetzen. Der neue (Schul-)Alltag unter Pandemiebedingungen und dessen Bewegung in den digitalen Raum hat hierfür reichlich Stoff geboten.

Das Motto #theater_digitalitaet steht schon seit mehr als zwei Jahren fest, also lange bevor die Pandemie Gesellschaft, Schule und damit auch das Schultheater vor völlig neue Herausforderungen stellte. Der Fokus des Themas lag schon bei Auswahl des Festivalmottos auf dem zentralen Aspekt der Erforschung von Möglichkeiten einer formal-ästhetischen Umsetzung von Digitalität in theatralen Prozessen. Bereits damals angedachte Fragestellungen waren z.B. die Veränderungen von Sprache und Kommunikation im digitalen Raum, die Parallelität von Leben in analogen und virtuellen Welten, die Auseinandersetzung mit Formen und Auswirkungen von künstlicher Intelligenz, eine Reflexion der Gefährdung von Demokratie und Menschenrechten durch digitale Räume, aber auch technische Aspekte wie die Gestaltung virtueller Welten auf der Bühne oder der Bezug zu Computerspielen und
Gaming als Impulsgeber für die Theaterarbeit.

Und dann kam die Pandemie und sorgte vor allem in der Planungsphase des Festivals für große Unsicherheit. Würde es überhaupt Bewerbungen geben, wenn die bekannte Theaterarbeit an den Schulen so gut wie unmöglich ist? Wie stellt sich das Schultheater den Herausforderungen digitaler Kommunikation und Techniken, wo doch Schulen bislang in der Öffentlichkeit nicht gerade als Keimzelle digitaler Lernwelten gelten? Wie kann ein bundesweites Theatertreffen aussehen, wenn zu erwarten ist, dass die Schulgruppen nicht reisen dürfen? Und nicht zuletzt, wie können die bewährten, von jahrzehntelanger Erfahrung geprägten Kommunikationsformen des SDL in digitale Formate übertragen werden, die alle Beteiligten eines solche Treffens nicht zum Bildschirmkonsumenten werden lassen, sondern die Erlebnis- und Erfahrungswelt des SDL auch im digitalen Format lebendig werden lässt? Und das alles in einer Vorlaufzeit von einem halben Jahr!

Die Herausforderung konnte für das Organisationsteam und die Veranstalter kaum größer sein. Die Wissenschaftsstadt Ulm erwies sich als Glücksgriff. Was zunächst als feines Festival auf einem innerstädtischen Campus mit zum Teil ungewöhnlichen Spielstätten geplant war, entwickelte sich dank Ulmer Unterstützung zu einem völlig neuen Format des Austausches und der Begegnung. Durch sein großes finanzielles Engagement und eigene Impulse ermöglichte Ulm die Einbindung der für digitale Veranstaltungen bestens aufgestellten Ulmer Veranstaltungstechnik Maurer und der
AgenturME. Gemeinsam entwickelte man eine digitale Plattform, auf der das SDL nun stattfinden wird und eine Vielzahl von Programmpunkten, die sowohl digitale als auch analoge Erlebnisse erzeugen. Für die Veranstalter war es dennoch eine Reise in Theaterneuland und als unter 50 Bewerbungen aus 15 Bundesländern die dann eingeladenen Gruppen ausgewählt wurden, war man erstaunt, wie sehr die Umstände der Pandemie als Katalysator des Festivalthemas gewirkt hatten. Offensichtlich hatte sich das Schultheater in Deutschland mit größter Kreativität den schwierigen bis nahezu unmöglichen Arbeitssituationen gestellt, ein Spektrum an Formaten entwickelt, wie es kaum breiter sein kann und sich mit noch weit mehr Fragen auseinandergesetzt, als in der Ausschreibung zum Festival formuliert.

Dachte die ursprüngliche Ausschreibung vor allem an Formen von Digitalität auf der Bühne bzw. in thematischer Auseinandersetzung, eroberte das Schultheater den digitalen Raum für sich und verließ damit die gewohnten Räume bzw. erweiterte diese. So wurden bereits geplante und geprobte Aufführungen kurzerhand in filmische Produktionen verwandelt, das verlangte von den Spielenden eine ganz neue Auseinandersetzung mit den Stoffen und Themen. Aber auch mit unbekannten Formaten wurde experimentiert. So gibt es z.B eine Homepage, auf der die Zuschauenden den Antigone-Stoff ganz neu erleben können, weil sie selbst entscheiden, wie die Geschichte weitergeht. Eine Aufführung findet auf einer Chat-Plattform statt, in der man sich mittels eines Avatars in 80er Jahre-Ästhetik, durch eine virtuelle Welt bewegt. Ein anderes Format ist ein Gruppenchat, in dem eine ganze Klasse ihr Abenteuer erlebt und davon berichtet. An vielen Aufführungen sind die Zuschauenden direkt beteiligt, müssen Entscheidungen treffen, sich äußern oder den weiteren Verlauf der Handlung bestimmen und werden damit zu einem noch wesentlicheren Teil des theatralen Geschehens. Die Vielzahl der digitalen Räume, die dabei begangen wird, ist unglaublich groß und gibt nicht nur Einblicke in die digitale Lebenswelt der spielenden Schüler*innen, sondern verhandelt den digitalen Raum an sich. Es wird per App gelebt und bewertet, gefaked und gespielt, manchmal sogar geliebt. Getanzte Ortsbegehungen finden ebenso statt wie Gaming und die allgegenwärtige Videokonferenz. Neben Eigenproduktionen, die sich mit für die Jugendlichen relevanten Themen wie Feminismus, Adoleszenz oder Leistungsdruck in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft auseinandersetzen, dienen literarische Stoffe, darunter auch Klassiker, als Impulsgeber der theatralen Projekte. Die Vielfalt ist gar so groß, dass aus einigen Bundesländern zwei Produktionen eingeladen wurden, einfach weil deren Projekte die Breite des Möglichen noch erweitert abbilden. Man darf gespannt sein und es ist sicherlich kein leeres Versprechen, wenn man behauptet: Das Schultheater der Länder wartet mit Beiträgen auf, die nicht nur die aktuellsten Entwicklungen im Bereich des Schultheaters zeigen, sondern vor allem deutlich machen, dass das Schultheater wesentliche Impulse zur Schulentwicklung beitragen kann und eine Vielzahl fruchtbarer Impulse für postpandemische Lernformen bietet.

Nähere Infos zu den Spielgruppen und ihren Theaterprojekten, der Fachtagung und dem umfassenden Begleitprogramm finden Sie unter www.sdl2021.de.