KI: Wer schützt unsere Kinder?

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Silke Müller. Foto: Carolin Windel

Wie Künstliche Intelligenz die Gefahren im Internet (nicht nur, aber besonders) für Kinder noch vervielfachen, schildert die Schulleiterin und Digitalbotschafterin Niedersachsens Silke Müller in ihrem Buch „Wer schützt unsere Kinder?“, zu dem sie auch Vorträge hält. In der Region Ulm/Neu-Ulm war sie zuletzt in Vöhringen im Wolfgang-Eychmüller-Haus. Ihr nächster Vortrag am 21. Oktober 2024 in Roggenburg ist bereits ausverkauft.

Mit schönen Erinnerungen beginnt Silke Müller ihren Vortrag: „Wir, die ohne Smartphone aufgewachsen sind, kennen noch das Gefühl der Freiheit“, sagt sie: „Nachmittags waren wir einfach nicht erreichbar – auch nicht für unsere Eltern“, und fragt: „Warum gönnen wir unseren Kindern das nicht? Wir kaufen ihnen ein Handy, damit sie jederzeit für uns erreichbar (womöglich noch GPS-verfolgbar) sind  – und die Kinder selbst stalken wiederum ihre Freunde, stündlich, auf snapchat.“

Nun kommt auch noch die Künstliche Intelligenz, kurz: KI, hinzu. In der Elektronik ist sie schon überall im Einsatz, und das durchaus nutzenbringend – zum Beispiel in Rasenmäh-Robotern und Pflanzrobotern, es gibt auch schon Bauarbeiter- und Soldatenroboter.

Am bekanntesten jedoch und für jeden einzelnen erfahrbar ist KI in Form von Chat GPT. Und das ist auch der Bereich, wo die Gefahren lauern. „Begleiten wir als Eltern das nicht, lassen die Kinder sich die Hausaufgaben davon machen, und wir merken es nicht“, merkt Silke Müller an. Das ist aber längst nicht alles.

Richtig gefährlich wird die KI im ohnehin schon abenteuerlichen Haifischbecken der sozialen Medien. „Die sozialen Netzwerke sind die Lebenswelt unserer Kinder“, betont Müller. Diese Lebenswelt wird durch KI noch weitaus gefährlicher, als sie es zuvor schon war. „Kindern Smartphones zu geben, war schon immer fahrlässig und gefährlich“, behauptet Müller und führt aus: „Da gibt es die whatsapp-Gruppen, wo Kinder sich austauschen sollen. Eigentlich sollen sie da die Hausaufgaben besprechen, aber es wird vor allem Quatsch gemacht. Wie schizophren sind wir eigentlich? Wir Lehrkräfte lassen die Kinder ungern allein im Klassenraum, weil spätestens nach zehn Minuten jemand heult und/oder etwas kaputtgegangen ist  – aber wir gründen whatsapp-Gruppen zur Hausaufgabenabsprache, in denen die Kinder dann munter über uns, die Lehrer, aber auch übereinander lästern.“

Noch mehr als whatsapp nutzen die Kinder snapchat. Darin gibt es einen Chatbot, der sein „virtueller Freund“ sein will. Der lernt das Kind richtig kennen und beantwortet all seine Fragen – leider nicht verantwortungsbewusst. Auf die Frage nach Tipps für ein erstes Date (womöglich mit einer Internetbekanntschaft) empfiehlt dieser „Freund“ allen Ernstes einen „ruhigen Ort, wo euch niemand stört“.

A propos Internetbekanntschaft: Dank KI können Kinder eine recht enge Beziehung, vollständig online, zu einer oder einem hübschen Gleichaltrigen aufbauen, den sie regelmäßig im Video-Chat „treffen“ und hundertprozentig vertrauen – und der in Wirklichkeit ein KI-erzeugter Avatar ist, hinter dem sich ein Erwachsener mit wahrscheinlich zwielichtigen Absichten verbirgt.

KI versetzt auch jedes Kind in die Lage, andere zu kompromittieren. Es gibt zum Beispiel die App „Nudify“. Damit kann jeder sein Gegenüber durchs Handy einfach nackt sehen –und auch fotografieren und diese Fotos teilen.

Wer jetzt meine: „Mein Kind macht sowas nicht und guckt sowas nicht“, der sollte sich fragen: „Woher will ich das wissen?“, gibt Silke Müller zu bedenken: Auf jeder sozialen Plattform gibt es die „For you“-Vorschläge von weiteren Videos. Das sollen eigentlich welche sein, die zum bisher angeschauten Material „passen“, darunter sind aber immer auch solche, die allgemein besonders viele Klicks bekommen haben. Zu einem „International Rape Day“ kursierten „Aufklärungsvideos“ in denen behauptet wurde, an diesem Tag dürften Männer einfach alles, was sie wollen, mit Frauen machen – straffrei.

Auf Tiktok werden grausame Inhalte gehyped und kommen so auf jedes Handy. Die Hälfte des Videos wird auf Tiktok gestellt, zum Rest kann man sich hinklicken. „Die „Babykatze im Mixer“ kennt jeder Lehrer in Italien und den USA“, berichtet die Schulleiterin, und aus den verschiedenen Kriegsgebieten dieser Welt gebe es massenweise Live-Videos, gefilmt von Soldaten mit Stirnkameras. Es gebe sogar einen – illegalen, aber dennoch auffindbaren – Kanal namens „watchpeopledie.tv“.

Und die „Blackout-Challenge“ auf tiktok (man würgt sich bis zur Bewusstlosigkeit, lässt dabei die Kamera laufen und lädt das Filmchen nachher auf tiktok hoch) geht selbst in Grundschulen herum – erst im Mai ist eine 13-Jährige in Kassel daran gestorben – die Kamera lief noch, als der Patenonkel das tote Kind fand.

Auch gesamtgesellschaftlich, warnt Silke Müller, richtet das Internet großen Schaden an. Im Netz sei ein massiver Rechtsruck zu beobachten: „Die AfD macht Brainwashing“, ist sich Müller sicher: „Jeder Schüler kennt den AfD-Politiker Max Krah als einen mit „megavielen Followern“, was in der Social-Media-Welt ein Qualitätsmerkmal ist, und jeder Schüler kennt den Satz „Echte Männer sind rechts“.

Extremisten aller Art überschwemmen die Gehirne, Kinder verbreiten sexualisierte Videos und Fotos von sich (und anderen) um „Freunde“ zu finden, andere erpressen sie dann damit… „Würde so etwas auf einem Spielplatz passieren – die Polizei wäre sofort da“, meint Silke Müller; „Im Netz passiert das minütlich – und keiner kommt.“

Zum Schluss mahnt Silke Müller auch die Eltern zur Vorsicht im Umgang mit dem Internet. Konkret warnt sie sie davor, Fotos ihrer Kinder zu veröffentlichen: „Was ihr online teilt, ist ein digitaler Fußabdruck meines Lebens“, sagt eine KI-gealterte Tochter in einem Video, das beweist, dass die KI jedes Foto benutzen kann, um etwas ganz anderes daraus zu machen – auch ein ganzes Video, in dem die Person mit ihrer „eigenen“ Stimme spricht und Aussagen macht, die nicht von ihr kommen.

„Ihr Kind hat nichts davon, wenn Sie Fotos von ihm veröffentlichen“, stellt sie klar. „Sie können Ihrem Kind auch zeigen, dass sie stolz auf ihr Kind sind, indem Sie das Foto dem Kind selbst zeigen – wozu fremden Menschen?“

Silke Müllers Tipps zum Umgang mit den digitalen Medien